Meinst Du Joan Miró zu kennen? Hier erfährst Du Neues über den Künstler. Und kommst ihm so nah wie nirgendwo anders: auf Mallorca. Unser Autor Jan Maruhn nimmt Dich mit auf eine Museums- und Architektur-Reise zu dem Ort nahe Palma de Mallorca, an dem Joan Miró nahezu 30 Jahre lebte und arbeitete.
Warum geht Miró nach Mallorca?
Joan Miró (1893-1983) ist Republikaner. Doch trotz Francos jahrzehntelanger Herrschaft kann er von seinem Land nicht lassen; Miró will Spanien nicht missen. Die balearischen Inseln sind zwar spanisch, aber dennoch weit weg vom Interessenzentrum des Diktators.
1956 entscheidet sich der Maler für Mallorca, wagt einen Neuanfang mit 60 Jahren. Hier stammen seine Mutter und seine Frau her. Hier will und kann er leben und malen, wie es ihm gefällt: Weit weg genug von Francos Diktatur – und doch in Spanien. Josep Luis Sert, ein alter Freund aus republikanischen Tagen hilft ihm beim Umsetzen seiner Idee vom integrierten Leben und Arbeiten nahe bei Palma de Mallorca.
Zusammenarbeit mit dem Architekten Sert
Der Architekt Josep Lluis Sert (1902-1983) entwirft den spanischen Pavillon für die Pariser Weltausstellung 1937. Er wird zum Symbol der Freiheit Spaniens. Mit einer Stahlskelettkonstruktion, die in ihrer Schlichtheit zur Bühne für die spanische Modernität der Republik und zugleich für die Kunst steht: Pablo Picassos „Guernica“ und der „Quecksilberbrunnen“ von Alexander Calder sind darin ausgestellt. Sie feiern das republikanische Spanien.
Und auch Miró setzt in Paris ein Zeichen für Spanien: Sein heute als verschollen geltendes Monumentalgemälde „Le faucheur“ (der Schnitter, katalanischer Bauer) vervollständigt das Bild eines modernen Landes durch moderne Kunst.
Der Kontakt zwischen den beiden Modernisten Miró und Sert reißt nie ab. 1956, erteilt Miró seinem alten Weggefährten den Auftrag für den Entwurf eines Ateliers in Cala Major, einem Vorort von Palma de Mallorca und erfüllt sich seinen Lebenstraum von einem großen und hellen Atelier. Es liegt in einem weißen kleinen Bau – heute als Taller Sert bekannt –, der Elemente der Moderne vereint, etwa die glatt verputzte Fassade mit dem Spiel der Grundfarben bei Fenstern und Türen.
Und dieser Atelierbau entwickelt eine treibende Kraft: Er inspiriert den über die nächsten Jahrzehnte folgenden sukzessiven Ausbau von Joan Mirós eigenem Kosmos auf der balearischen Insel – im Gewand außergewöhnlicher Architektur. Miró wird hier noch 30 Jahre schaffen, sich immer wieder neu erfinden. Die Pilar and Joan Miró Stiftung, Inhaberin der wichtigsten Sammlungen des Künstlers, wirkt seit 1992 in Cala Mayor. Mallorca gewinnt eine großartige Sehenswürdigkeit.
Was macht die Architektur auf Mallorca zur Sehenswürdigkeit?
Ganz im Sinne von Le Corbusier regeln „brises soleil“ den Sonneneinfall im Arbeitsraum, so dass sich die Werkstatt verdunkeln lässt, aber auch die volle, kräftige Sonne das Innere erstrahlen lassen kann. Klassische Elemente, wie die Oberlichter, verwandelt der Architekt in skulpturale Segel, die den einfachen rechteckigen Baukörper dramatisch bekrönen. Ausfachungen aus Bruchstein wechseln sich mit Fenstern ab und komplettieren das sichtbare Betonraster der Fassaden des Atelierbaus.
Der Komplex öffnet sich auf der einen Seite des Hanggrundstücks zum in der Tiefe liegenden Meer. Auf der Rückseite bildet Sert einen in Höhe des ersten Stocks liegenden Hof, der die Gesamtanlage zum Bergfelsen hin abschließt, so dass Offenheit und Intimität zwei architektonische Grundideen miteinander verschränkt.
Als wäre Miró noch im Atelier
Im Inneren nimmt das große Atelier fast den gesamten Erdgeschossbereich ein. Es wirkt, als hätte der Künstler sein Atelier gerade verlassen. Obwohl die großen Gemälde in der Halle ebenso wie die kleinen Zeichnungen Kopien sind, ist es, als würden wir dem abwesenden Künstler kurz einmal über seine Schulter schauen können.
Im ersten Stockwerk über dem Eingang, das wie eine Galerie in den Atelierraum hineinragt, sieht die Welt anders aus. Intim und fast persönlich empfängt uns die Raumfolge mit Fundobjekten, Büchern und der introvertierten Wohnwelt des Künstlers und Menschen.
Miró sah das so: „Mein Traum (...) ist, eine große Werkstatt zu haben, nicht so sehr wegen der Beleuchtung, (…) sondern um Platz zu haben für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, desto mehr Lust habe ich zu arbeiten.“
Ein separates Keramik- und Bildhaueratelier
Ein steiler Weg führt von Serts Bau auf einer Treppe zwischen Felsen zum oberhalb gelegenen Son Boter. Mirós Keramik- und Bildhaueratelier, in einem alten Landhaus aus dem 18. Jahrhundert gelegen, thront nicht prachtvoll, aber eindrucksstiftend auf der Spitze von Mirós Kunstwelt auf Mallorca. Leer und schön, mit skizzenhaft bemalten Wänden, präsentiert sich Son Boter als Gegenwelt zu Serts moderner Version eines Künstlerateliers.
Rafael Moneo baut ein Museum für Miró auf Mallorca
Vervollständigt wird die Anlage 1992 durch den Neubau eines großen Museums von Rafael Moneo, dem Pritzker-Preis-Träger von 1996. Sein Joan Miró Museum schmiegt sich an die Felsen weit über dem Meer. Wechselnde Ausstellungen greifen auf die große Auswahl von Mirós Werken zurück, aktuell zu „Miró, 1983“.
Raffael Moneo (* 1937) setzt Mirós Liebe zum Meer architektonisch effektvoll um: Von außen geschlossen öffnet ein glasloses Fenster den Blick auf das Wasserdach, um ihn weiter zielgerichtet in die Tiefe der Küstenlandschaft wandern zu lassen.
Im Inneren breitet sich eine Raumlandschaft auf unterschiedlichen, ineinanderfließenden Ebenen aus, die durch Fenster von der Seeseite belichtet werden. Sie geben den Blick nach außen nicht frei. Stattdessen lassen sie – wie in den romanischen Kirchen Kataloniens – das mallorquinische Licht ganz traditionell über marmorierte Alabasterscheiben hinein, ohne den Blick von den wechselnden Ausstellungen abzulenken.
Im Miró-Museum: marmorierte Alabasterscheiben sorgen für Licht © Felicitas Wlodyga
Das Museum gleicht einem zeitgenössischen heiligen Ort. Mirós Welt wird im Ensemble von Taller Sert, San Roter und der Pilar und Joan Miró Stiftung zu einem Erinnerungsort und einer Apotheose von Kunst und Architektur – so intellektuell wie emotional.
Überall schön: auch im Garten © Felicitas Wlodyga
Museums-Infos
Website: https://miromallorca.com/en/
Adresse: Fundació Pilar i Joan Miró
Calle Joan de Saridakis, 29, 07015 Palma, Mallorca (Balearen)
Am Wochenende gibt es Führungen. Auch individuelle Führungen sind nach Vereinbarung möglich: E-Mail: info@miromallorca.com Tel.:+34 971701420
Anfahrt vom Zentrum Palma de Mallorcas aus (ca. 40 Minuten)
Mein Tipp Im Museums-Shop gibt es Kataloge, Postern, Bücher und eine sehr schöne Auswahl von Objekten, die auf Motive aus Mirós Werken zurückgreifen, Designobjekte von Schmuck bis zu Einrichtungsartikeln.
Architektur-Infos
Informationen zu Josep Luis Sert und seinem Werk
Informationen zu Rafael Moneo und seinem Schaffen
Mehr zu Miros Schaffen auf Mallorca
2023 widmete das Paul Klee Zentrum in Bern Joan Miró die Ausstellung „Neue Horizonte", in der Mirós Leben und Wirken auf Mallorca gewürdigt wurde. Die Präsentation kann im Ausstellungstext nachvollzogen werden.
Reisetipp Bern
Übrigens: Bern. Hier kannst Du nicht nur tolle Künstler wie Paul Klee und Joan Miró treffen, hier kannst Du in Kunst und Kultur baden! Gern gebe ich Dir meine Anregungen, eine Auswahl:
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