Als einer der bedeutendsten Kunstsammler Deutschlands hat sich Frieder Burda im Schwerpunkt Klassische Moderne und Gegenwartskunst einen Namen gemacht. Die Krönung seiner Sammlerleidenschaft: das Museum Frieder Burda in Baden-Baden. 2024 feiert es 20-jähriges Bestehen. Herzlichen Glückwunsch – zu einem der schönsten Kunstorte des Landes – geprägt von der Liebe zur Kunst und zum Licht.

Was Dich hier erwartet
Gelungene Einbeziehung in die Umgebung der Lichtentaler Allee
Wie hingegossen in seine prächtige Umgebung präsentiert sich der für die private Kunstsammlung des Verlegersohns Frieder Burda geschaffene Museumsbau. Das Museum Frieder Burda ist eine Architekturperle, direkt am Fuß der Baden-Badener Promenade gelegen. Die Lage an der Lichtentaler Allee mit der sie umgebenden Parkanlage könnte nicht vorzüglicher sein (erfahre mehr dazu in meinem Artikel Baden-Baden: Reise zur Architektur im Weltkulturerbe).
Zwanglos mit dem Landschaftsgarten verbunden, fügt sich der markante Museumskomplex in den Park ein und fällt sofort ins Auge. Die Natur ringsherum mit den erhalten gebliebenen alten Bäumen schmeichelt dem Bauwerk und erhöht seinen Reiz.

Das Museum Frieder Burda und die Kunsthalle Baden-Baden – ein Paar voller Gegensätze
Diese Wirkung zu erreichen war nicht einfach: Die harmonische Verbindung mit dem großartigen Landschaftspark zu erreichen, stellte höchste Ansprüche an den Architekturentwurf. Hinzu kam eine weitere Herausforderung: Es galt, das neue Museum auf das direkte Nachbarhaus, die gut 100 Jahre alte Staatliche Kunsthalle Baden-Baden (eröffnet 1909), abzustimmen. Richard Meier war es, der den Museumsstifter Frieder Burda (1936-2019) mit seinen Ideen schließlich von seiner Vision überzeugen konnte. Burda hatte lange gesucht, sichtete zuvor Entwurf um Entwurf von renommierten Baumeistern. Am Resultat, dem zwischen 2002 und 2004 entstandenen Baukunstwerk, lässt sich Meiers Klasse ablesen.

Wie es dem amerikanischen Stararchitekten Richard Meier gelang, zwei so unterschiedliche dicht an dicht stehende Gebäude zwischen Historie und Gegenwart, Ehrwürdigkeit und Modernität, 20. und 21. Jahrhundert so aufeinander zu beziehen, dass sie sich nicht erschlagen? Ganz einfach: Er nimmt Rücksicht auf die von seinem Kollegen Herrmann Billing zwischen 1907 und 1909 im späten Jugendstil geschaffene Kunsthalle.
In einem behutsam ausbalancierten Gleichgewicht zwischen beiden Museumsbauten betont Meier die Charakteristika des Altbaus, indem er mit seiner Neukreation Gegensätze herausarbeitet: Der nahezu fensterlosen Kunsthalle stellt er einen modernen lichtdurchfluteten Gebäudekomplex gegenüber. Der Asymmetrie der Kunsthalle begegnet er mit einer symmetrischen Baufigur.
Ein Spiel mit Kontrapunktik
Meier kontrastiert mutig. Im Spiel mit der von ihm erzeugten Kontrapunktik überbrücken beide Museumsbauten das Jahrhundert, das sie in ihrer Entstehung voneinander trennt. Im Ergebnis kann jedes Haus – für sich betrachtet eher schlicht und zurückhaltend – seine Vorzüge entfalten. In ihrem gleichermaßen harmonischen wie disharmonischem Miteinander werden beide Gebäude zu einem ästhetischen Ereignis.
Die Freude an der Architektur in Baden-Baden entdecken
Warum mich das fasziniert? Ich mag es, mich in den Anblick von Architektur zu versenken. Das macht Freude und schärft den Blick. Mit ein paar Leitfragen lässt sich schnell herausfinden, wie etwa Fläche und Linie zueinanderstehen, wie sich die Proportionen zueinander und wie sich das Bauwerk zu seinem Umfeld (wie hier in Baden-Baden in außergewöhnlich gelungener Weise) verhalten. Beim genaueren Betrachten siehst Du plötzlich Dinge, die sich im flüchtigen Hinschauen nicht erschließen. In Baden-Baden gibt es viel Anschauungsmaterial dafür: Die Stadt ist eine Hochburg der Architektur – rund 1.800 Baudenkmäler erwarten Architekturfans hier.

Licht – das wichtigste Baumaterial Richard Meiers
„Richard Meier hat die Situation in Baden-Baden sofort verstanden. Er hat ein wunderbares Gebäude aus Glas und Licht entworfen. Sehr klar, sehr hell, leicht. Das Gebäude scheint zu schweben,“ urteilte Auftraggeber Frieder Burda zufrieden. Überhaupt das Licht. Licht ist das wichtigste Baumaterial Richard Meiers. Groß dimensionierte Fensterflächen fangen die umgebende Lichtentaler Parklandschaft wirkungsvoll ein. Licht dringt durch alle Zwischenräume. Im Inneren breitet sich zwischen Decken und Fassaden verschwenderisch eingesetztes Tageslicht aus.

So raffiniert sind die Lichtquellen gesetzt, dass die Kunstwerke – und das zu jeder Tages- und Jahreszeit – in natürlichem Licht betrachtet werden können. Das ist ein Schlüssel zum besonderen Kunstgenuss in diesem Museum!
Liebe zur Kunst trifft auf Liebe zum Licht
Das Museum Frieder Burda ist ein Juwel. Das verdankt sich der Tatsache, dass zwei Menschen zusammengefunden haben, die sich sehr gut zuhören und verständigen konnten: der Kunstsammler Frieder Burda und der amerikanische Architekt Richard Meier. Dieser bemerkte einmal:
„Das Wichtigste ist Licht. Licht ist Leben.“
Über seinen Bauherrn Frieder Burda sagte Richard Meier: „Die Liebe zur Kunst und die Liebe zum Betrachten von Kunst ist integraler Bestandteil seines Lebens.“ Ein schönes Bild: Im Herzen von Baden-Baden, im Museum Frieder Burda, trifft die Liebe zur Kunst auf die Liebe zum Licht.
Wenn wie hier die richtigen Menschen zusammenkommen, ist vieles möglich. Das zeigt etwa auch die Begegung des Künstlers Franz Gertsch mit Willy Michel, der, hier waren die Rollen anders verteilt, zu seinem Mäzen wurde – und ihm den Traum von einem eigenen Haus erfüllte. Im Museum Franz Gertsch nahe Bern, das ich Dir in einem eigenen Beitrag vorstelle, fand die Kunst von Franz Gertsch eine Heimat und konnte sichtbarer werden.
Was macht den Museumsbau von Richard Meier unverwechselbar?
Richard Meiers Bauten, darunter in Deutschland das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt/ Main, kommen in der Regel blendend weiß daher. Das unterstreicht ihre offene und lichtdurchflutete Anmutung. Der Baumeister bedient sich, angelehnt an die Antike, einer einfachen Formensprache. Er baut gern Rampen anstelle von Treppen. In seiner Architektur setzt er auf wenige Mittel. Genau das macht sie umso wirkungsvoller. Damit hat Richard Meier es zu Weltruhm und Kultstatus gebracht.

Und dann: die Proportionen! Sie stimmen einfach. Lob kommt auch hier von höchster Stelle, von Frieder Burda: „Nach sechs Jahren Ausstellungsbetrieb weiß ich, dass Richard Meier (….) die richtigen Proportionen gefunden hat. So verschieden die Ausstellungsprojekte auch bisher waren, das Haus schien immer wie für sie gemacht.“
Welche Kunst gibt es in Baden-Baden zu sehen?
Aktuell ist die Sonderausstellung „Der König ist tot – lang lebe die Königin“ in den lichten Baden-Badener Räumen zu sehen. Die Schau ist eine Hommage an die Kunstsammlerin, Galeristin und Mäzenin Peggy Guggenheim (1898–1979) und ihre Ausstellung „31 Women“ vor 80 Jahren in New York.
Zuvor waren die „Maler des heiligen Herzens“ zu Gast – allesamt Autodidaktinnen und Autodidakten. Entdeckt hat sie der Kunstkritiker und Galerist Wilhelm Uhde, der die Entwicklungen der modernen Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts viel zu „verkopft“ fand. Das wollte er nicht hinnehmen; er machte sich selbst auf die Suche, Werke zu finden, von denen er glaubte, sie würden unmittelbar die Herzen erreichen.
Beide Ausstellungen zeigen exemplarisch den besonderen kuratorischen Ansatz dieses Flagschiffs moderner Kunst, das immer wieder in Sonderausstellungen zu außergewöhnlichen und sehr lohnenden Kunstentdeckungen einlädt.
Mein Fazit zu einem Gesamtkunstwerk
Das Museum Frieder Burda ist ein Gesamtkunstwerk, perfekt auf die umgebende Landschaft abgestimmt. Der Bau setzt Freude an Licht und Architektur, Proportionen und Kunstwerken frei.
Das passiert, weil die Raumerfahrung sich durch die herausragende Architektur bis tief ins Innere des Museums – und der Betrachterin – fortsetzt. Mehr noch: Sie unterstreicht die Ausstrahlung der Kunstwerke effektvoll.
„Mir ging es immer gut, deswegen wollte ich etwas zurückgeben an meine Stadt, an mein Land", sagte Frieder Burda der „Wirtschaftswoche" 2011. Er wünschte sich, seine Kunst mit möglichst vielen Menschen zu teilen; das ist ihm auf eindringliche Weise gelungen.
Frieder Burda, sein Museum, seine Kunstsammlung und Stiftung
Aktuelle Ausstellungen und einen Ausblick auf nächste Sonderausstellungen des Museum Frieder Burda gibt es auf der Museums-Website.
Frieder Burdas Kunstsammlung und Stiftung
Frieder Burda hinterließ eine international bedeutende Privatsammlung mit mehr als 1.000 Werken. Unter den Gemälden und Skulpturen sind Werke von Hans Arp, Georg Baselitz, Max Beckmann, Anselm Kiefer, Ernst Ludwig Kirchner, Willem de Kooning, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Joan Miró, Pablo Picasso, Niki de Saint-Phalle, Sigmar Polke, Isa Genzken, Jackson Pollock, Gerhard Richter, Mark Rothko oder Alexej von Jawlensky (dem Du auch bei azurgold im Museum Wiesbaden begegnen kannst).
1998 gründete Burda die Stiftung Frieder Burda. Sie dient der Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft.
Richard Meier und einige seiner Bauten
Museum für Kunsthandwerk (1979–1985), heute: Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main
High Museum of Art (1980–1983), Atlanta, USA
Getty Center (1984–1997), Los Angeles, USA
Hypo-Vereinsbank (1989–1993), Luxemburg
White Plaza (1990–1998), Basel, Schweiz
Museu d’Art Contemporani de Barcelona, MACBA (Museum für Zeitgenössische Kunst; 1992–1995), Barcelona
Peek & Cloppenburg Weltstadthaus (Textilkaufhaus), eröffnet 2001, Düsseldorf-Stadtmitte
Peek & Cloppenburg „Weltstadthaus“, eröffnet 2007, Mannheim
Arp Museum (2002–2007), Remagen-Rolandseck bei Bonn
Rathaus San Jose, USA
Rothschild Tower, Wohnhochhaus (2007–2016), Tel Aviv
Oxfordshire Residence (2007–2017), Wohnhaus, Oxfordshire, England
Hamburg-America-Center (2009), Hamburg
Coffee Plaza (2007–2009), Hamburg (HafenCity)
Strandhaus (2014–2018), Hamburg (HafenCity)
Mehr über Leben und Werk und Literatur zu Richard Meier verrät Wikipedia.
Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Noch mehr Kunst zeigt gleich nebenan die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, die auch ein Café beherbergt. Sie wurde 1990/91 umgebaut und erweitert.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Rechercheaufenthalts mit Unterstützung von Baden-Baden Kur & Tourismus entstanden.
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