top of page

Frank Gehrys Guggenheim Museum erfüllt Architekturträume in Bilbao

  • Autorenbild: Felicitas
    Felicitas
  • 6. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit

Die nordbaskische Hafenstadt Bilbao hat in Sachen Imagewandel einiges vorgelegt: vom einstigen Zentrum der Schwerindustrie zur Kulturhochburg mit hochkarätiger Architektur. Gallionsfigur ist das Guggenheim Museum, vom amerikanischen Stararchitekten Frank O. Gehry spektakulär in Szene gesetzt. Zum Schwärmen gut!


Ein Glanzstück in Titan: das Guggenheim Museum Bilbao
Architektur vom Feinsten: Frank Gehry setzt Maßstäbe mit dem Guggenheim Bilbao © Felicitas Wlodyga

Frank Gehry kann zufrieden sein. 1997 eröffnete er, knapp 70 Jahre alt, das Guggenheim Museum in Bilbao – und löste ein Echo aus, das die Architekturwelt nachhaltig verändern sollte. Das gigantische Gebäude misst 32.500 qm Landfläche und 24.000 qm bebaute Fläche. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gehry bereits Aufsehen mit seinen Gebäuden erregt, etwa mit dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Doch sein Bilbao-Projekt sollte alles übertreffen und neue Maßstäbe in der Architektur setzen!


Das Zusammenspiel von Struktur und Materialien

Ein Tipp zur Besichtigung gleich vorweg: unbedingt umrunden und die Architektur von allen Seiten anschauen! Bei einer ersten Annäherung von der Innenstadtseite leiten zunächst ein paar – irritierende – Stufen in die Tiefe, um ins Foyer zu führen.


Ein Paar auf dem Weg zum Haupteingang des Museums
Das Guggenheim Bilbao: selbst bei grauem Wetter eine Schönheit © Felicitas Wlodyga

Wer vom Ufer des Nervión kommt, kann gleich die dynamische Wucht der Baukunst auf sich wirken lassen und ein visuelles Vollbad in der Formenvielfalt des futuristisch anmutenden Baukörpers nehmen. Dieser besteht aus Glas, Kalkstein aus Granada und ungeheuren Mengen an Titan. 33.000 Platten formen das Gebäude zu einem skulpturalen Kunstwerk. Die Oberfläche ist nie ganz eben. Kantige Formen treffen auf dynamisch geschwungene, Symmetrien auf Asymmetrien. Und wenn die Sonne ihr Licht über die Titan-Oberfläche gießt, glänzt es Silber und Gold. Doch auch wenn sie nicht scheint, ist die Wirkung effektvoll. Dann tut sich das Silber der Platten mit dem Grau des Himmels zusammen.


Architektur im Detail oder: ein Traum aus Titan © Felicitas Wlodyga


Das ist visionäre Architektur! Spielerisch und leicht wirken architektonische Elemente, Strukturglieder und Materialien der neben Venedig einzigen europäischen Dependance des New Yorker Guggenheim-Museums zusammen. Aus einem Guss zu einem Gesamtkunstwerk zusammengeführt, erscheint die baskische Zweigstelle wie Musik komponiert.

 

Kunst im Außenraum des Guggenheim Museums Bilbao von Frank Gehry

Wer aus der Innenstadt kommend auf den Eingang zusteuert, den begrüßt Puppyals Neuankömmling. Das sind viele. Auch solche, die nicht ins Museum gehen – und den zwölf Meter hohen Blumenhund zum am meisten fotografierten Motiv Bilbaos machen. Jeff Koons hat die Blumenskulptur entworfen. Um sich attraktiv und grün zu halten, beschäftigt Puppy einen eigenen Gärtner. Der bepflanzt die florale Skulptur in jedem Jahr neu, mit ca. 17.000 Blumen.


Puppy empfängt und beschäftigt einen eigenen Gärtner © Felicitas Wlodyga


Das Museumsschiff am Nerviónufer hat noch weitere beeindruckende Kunstwerke um sich herum versammelt:

  • Noch einmal von Jeff Koons (* 1955), dem amerikanischen Künstler, der als Selbstvermarkter höchst erfolgreich global agiert – und polarisiert. Er hat einen bunten mit Lack überzogenene Nelkenstrauß auf die Terrasse neben die Wassergärten des Museo Guggenheim gelegt.

  • Mit neun Metern nicht ganz so hoch wie Puppy – und auch gar nicht so hübsch – steht die eher furchteinflößende Spinnenskulptur „Maman“ auf unsicheren Beinen zwischen Museum und Fluss. Die französisch-US-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois (1911-2010) hat sich das ausgedacht.


„Maman“ hat Louise Bourgeois ihre staksige Spinnenskulptur genannt © Felicitas Wlodyga


  • Und der indisch-britische Bildhauer Anish Kapoor (* 1954) glänzt mit der Installation „Tall tree and the eye“ aus 73 spiegelnden Kugeln.

Anish Kapoors Skulptur aus 73 gestapelten Kugeln auf Holzplateau im Wasserbecken
Anish Kapoor stapelt 73 Silberkugeln © Felicitas Wlodyga
  • Eduardo Chillida (1924-2002), der wichtigste spanische Bildhauer des 20. Jahrhunderts, ist auf der Museumsterrasse mit einer seiner markanten rot-braunen Skulpturen vertreten.

Große Terrasse mit zwei Besuchern neben einer von Chillidas rot-braunen Skulpturen
Mit Chillida in bester Gesellschaft © Felicitas Wlodyga

Im Inneren des Museums

Fest steht: das Guggenheim Kunstmuseum ist das größte, das imposanteste Kunstwerk. Selbstverständlich hat es im Museumsinneren auch einiges zu bieten. Teile der ständigen Sammlung und Sonderausstellungen zu moderner und zeitgenössischer Kunst präsentieren sich in großer Vielfalt auf allen Ebenen und in rund 20 Galerien. Die mit 130 Metern längste Galerie empfängt mit schwergewichtigen Stahlkolossen des amerikanischen Bildhauers Richard Serra (1938-2024). Unverrückbar scheinen sie für die Ewigkeit verankert.


Rückenperspektive: Ein Mann und zwei Frauen umschlingen sich und schauen durch einen Ausstellungsraum
Moderne und zeitgenössische Kunst auf allen Ebenen und in rund 20 Galerien © Felicitas Wlodyga

 Gigantische Höhen tun sich im Inneren des Guggenheim Bilbao auf © Felicitas Wlodyga


Und dann geht's auf Entdeckungstour! Um sich von der ständigen Sammlung überraschen zu lassen, zum Beispiel von einem seltenen Querformat von Mark Rothko. Oder in eine der Sonderausstellungen, die mir ein Wiedersehen mit Helen Frankenthaler (1928–2011) beschert. Sie habe ich im Museum Reinhard Ernst kennengelernt (s. Beitrag „Wiesbaden brilliert mit großer abstrakter Kunst im Museum Reinhard Ernst“).

Helen Frankenthaler mit Farben und Pinsel in ihrem New Yorker Atelier
Helen Frankenthaler in ihrem New Yorker Atelier © Felicitas Wlodyga

Ein Phänomen mit Langzeitwirkung: der Bilbao Effekt

In Bilbao sind das neue Stadtbild und der Museumsneubau untrennbar miteinander verbunden. Beides profitiert voneinander, in der großen medialen Aufmerksamkeit ebenso wie als Besuchermagnet. Dieser „Bilbao-Effekt“, die „gezielte Aufwertung von Orten durch spektakuläre Bauten von Architekten“, hat die ganze Stadt nachhaltig verändert. Andere Städte versuchen, diesem Erfolg nachzueifern, nicht immer erfolgreich (im Anhang findest Du weiterführende Informationen dazu).


Blick auf das Guggenheim Museum vom benachbarten Park aus
Noch eine Perspektive vom nahegelegenen Park aus © Felicitas Wlodyga

Architektur und zeitgenössische Kunst im Stadtzentrum Bilbaos

Architektur und zeitgenössische Kunst prägen das Stadtzentrum Bilbaos. Heute kaum vorstellbar: die alte Industriemetropole lag am Boden, der Stadt fehlte jegliche Ausstrahlungskraft. Bilbaos Geheimnis liegt wohl darin, dass hier ein Gesamtkunstwerk in der Stadterneuerung gelungen ist, bei dem alle an einem Strang gezogen haben.


Zu den baulichen Neuerungen gehören:

  • ein neuer Flughafen,

  • ein neues Abwassersystem,

  • Wohn-, Freizeit- und Gewerbeanlagen in der Innenstadt,

  • die Neugestaltung des innerstädtischen Flussufers

  • der Bau einer U-Bahn

 

Die meisten architektonischen Kunstwerke sind im „Bilbao Art District“ rund um die Flussmündung des Nervión zu sehen. Darunter neben Frank Gehry Werke von weiteren Pritzker-prämierten Architekten:


  • Rafael Moneo (Deusto-Bibliothek),

  • Álvaro Siza (Festsaal der Universität) und

  • Norman Foster (Eingänge der U-Bahnhöfe). Fosters U-Bahn-Eingänge werden in Bilbao liebevoll „fosteritos“ genannt.

Eine junge hell gekleidete Frau schreitet an der weißen Zubizuri-Brücke vorbei
Tolle Kulisse: Calatravas Zubizuri-Brücke © Felicitas Wlodyga

Weitere Weltstars der Architektur haben ihre Spuren hinterlassen:


  • Santiago Calatrava (Zubizuri-Brücke),

  • César Pelli (Iberdrola-Turm),

  • Ricardo Legorreta (Hotel Meliá Bilbao)

  • Arata Isozaki (Wohnkomplex).


Die Stadt hat sich mit großem Erfolg neu erfunden. Der Bau des Guggenheim Museums Bilbao von Frank Gehry gab die touristische Initialzündung und befreite Bilbao aus dem tristen Grau.


Vom Wasser aus

Unbedingt empfehlenswert ist eine einstündige Bootsfahrt auf dem Nervión durch die gesamte Stadt. Von Bord aus lässt sich die einzigartige Stadtentwicklung von einem Bilboat aus erahnen. Einige Zeugnisse der alten Industrieära sind noch zu sehen. Und auch eine weitere Perspektive auf Bilbaos wunderschöne Architekturikone lohnt die Fahrt: qué bonito!


Vielleicht muss ich doch mal nach Abu Dhabi. Dort wartet Frank Gehrys nächstes Architekturprojekt für die Guggenheim Foundation auf seine bevorstehende Eröffnung. Der Baumeister ist mittlerweile 96 Jahre alt!


Die Architekturikone und eine Ahnung davon, wie es vorher war © Felicitas Wlodyga


Museums-Infos

Avenida Abandoibarra, 2

ES – 48009 Bilbao

Telefon: +34 944 35 90 80


Öffnungszeiten: Di - So 10:00 - 19:00 Uhr, Do 10:00 - 20:00 Uhr

im Sommer täglich geöffnet von 10:00 - 20:00 Uhr

Eintritt und Tickets 


Tiefer eintauchen

Oslo und der Bilbao-Effekt: ein gelungenes Beispiel

Oslo hat 2008 einen „Bilbao-Effekt“ mit seiner Oper (Snøhetta Architekten) erreicht. Dann 2020 mit der Deichmann-Bibliothek (Lund Hagem Arkitekter) weiter verstärkt und schließlich 2021 mit dem Munch-Museum (Estudio Herreros) und 2022 mit dem Nationalmuseum (Schuwerk und Kleihues) nachhaltig zementiert. So hat sich an Oslos Hafenkante beeindruckende Architektur versammelt, die der norwegischen Hauptstadt zu einem neuen Ansehen verholfen hat. Mehr ...


Noch intensiver kannst Du Dich in einer ARTE-Dokumentationsreihe mit dem Thema „Tempel der Hochkultur - Wie Kulturbauten Städte aufwerten“ beschäftigen. Die Leitfrage: Gibt es den Bilbao-Effekt?


Buchempfehlung

Buchcover von: Roger Wehrli, Ibon Zubiaur: Bilbao. Fotografien seit 1988. Vom Industriemoloch zur Kulturhauptstadt – die Geschichte eines urbanen Wandels

Wer sich anschauen möchte, wie Bilbao vor seiner architektonischen Verwandlung mit den Hinterlassenschaften der Industrieära ausgesehen hat, wird bei Roger Wehrli fündig. Der Schweizer Fotograf, geboren 1965, hat von 1988 bis 2014 den Wandel und die Neuerfindung Bilbaos in einem Langzeitprojekt dokumentiert. Seine Schwarz-Weiß-Bilder erzählen eindrucksvoll davon.


Eine Ton- und Lichtshow zeigt im Guggenheim Museum die Vergangenheit der alten Industriestadt © Felicitas Wlodyga


Kommentare


bottom of page