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Mit dem Atlas der außergewöhnlichen Weine auf Reisen gehen

  • Autorenbild: Felicitas
    Felicitas
  • 28. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Okt.

Der „Atlas der außergewöhnlichen Weine“ handelt von Weinen aus Pompeji, spürt heroische Weinstöcke an der Mosel oder Unterwasserwein in Slowenien auf, entdeckt einen Weinberg mitten in der Architektur von Paris und verrät, was Pferde mit Weinen zu tun haben. Ein Buchabenteuer voller Geschichten und Geschichte  das Lust auf Reisen zum Kulturgut Wein macht, in Europa und der ganzen Welt.

Zoom auf eine rote Weintraube am Weinstock
Weinreben vertragen einiges, wenn sie richtig kultiviert werden © Pierrick Bourgault

  • Weine aus Pompeji mit 2000-jähriger Tradition

  • Die Weinriesen von Kampagnien

  • Ein Weinberg mitten in Paris

  • 65 Prozent Steillage – „Heroische Weinberge“ an der Mosel

  • Erlesene Weine trotz abweisender Natur auf Pantelleria


Ein Weinberg als Reiseziel!

Ein Weinberg als Reiseziel? Der Wunsch könnte nach der Lektüre des „Atlas der außergewöhnlichen Weine“ entstehen. Pierrick Bourgault verantwortet dieses Buchprojekt als Autor und Fotograf und er ist prädestiniert dafür. Seit 30 Jahren lässt Bourgault die Vielfalt der Weine nicht los. Der studierte Agrarwissenschaftler reist um die Welt, um seiner Mission zu folgen: Er möchte (sehr viel) mehr über Weinanbaugebiete, Rebsorten und den Weinmarkt mit Trends und Traditionen erfahren.


Gewiefte Winzer im Atlas der außergewöhnlichen Weine 

Winzer lieben die Herausforderung. Das könnte das Motto für die Auswahl der Weinorte sein, die Bourgault getroffen hat. Wenn wir ihm auf dieser Tour de Vin folgen, begegnen wir gewieften Weinspezialisten. Sie verlassen die ausgetretenen Pfade, trotzen außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen, bauen in schwer zugänglichen und untypischen Regionen Weinstöcke an. Sie retten vergessene Rebsorten, erproben unkonventionelle Weinbereitungsmethoden und kreieren ihre ganz eigenen Weine.


Ausgangspunkt: Weinland Frankreich

Es macht Spaß, im Atlas der außergewöhnlichen WeinePerrick Bourgaults Faible für ungewöhnliche Weine zu teilen. Das fängt schon im Inhaltsverzeichnis an: „Weinriesen“ werden angekündigt oder eine „Weinlese am Silvesterabend“. Orange Wine, Rose Champagner oder Gelbwein lassen das Farbspektrum des Weins hervorblitzen. Recht oft geht es zunächst – wen wundert's! – nach Frankreich, in Bourgaults Heimat. Gut die Hälfte der rund 40 vorgestellten Weinorte liegen hier.


Portraitfoto des Autors und Fotografen Pierrick Bourgault
Autor und Weinkenner: Pierrick Bourgault © Emmanuel Delaloy

Der Autor Pierrick Bourgault

Pierrick Bourgault fabuliert meisterhaft. Er versteht sich auf die Kunst, seine Geschichten mit Geschichte zu verknüpfen. Prägnant, ohne auszuufern erzählt er von erstaunlichen Anstrengungen und – irgendwann auch: Erfolgen. Mehr als 50 Publikationen hat er allein über Weine und Bistrots geschrieben. Denn Cafés und Bistros widmet er seine zweite Leidenschaft. In „Le Bistroscope“ ruft er sie auf den Plan, um die Geschichte Frankreichs zu erzählen (bislang leider nur auf französisch). Für einige seiner Publikationen ist er wiederholt ausgezeichnet worden, etwa mit dem  „Grand Prix du Journalisme Agricole“.


Der älteste Weinberg der Welt

Aus Frankreich führt der Autor – bevor es weiter ins vorwiegend südliche Europa geht – weiter nach Deutschland. Nur 20 Kilometer von der französischen Grenze entfernt wartet der älteste Weinberg der Welt. Seit stolzen 400 Jahren tragen sie, im Dorf Rhodt an der südlichen Weinstraße, die Gewürztraminer- und Silvaner-Reben – und haben allen Kriegen widerstanden! Aber auch entferntere Destinationen wie das kanadische Quebec, Georgien, der Irak oder die Wüste Gobi finden sich in diesem ganz besonderen Reiseführer.

Ein verschneites Weinfeld in der Wüste Gobi
Verschneite Rebfläche in der Wüste Gobi nach dem Anhäufeln © Pierrick Bourgault

Fuori Marmo und die Kunst der Önologie

Quizfrage: Was ist „Fuori Marmo“? Um das zu beantworten führt die Reise auf die Hügel der Maremma. Und zu einer spannenden Erzählung über einen Cuvée, der in Amphoren aus weißem Marmor ausgebaut wird. Erläuternd schreibt Bourgault:

Kalziumkarbonat, aus dem Marmor besteht, reduziert die Säure des Weins und wird in der Önologie als zugelassener Säureregulator eingesetzt.

Der Satz macht klar, warum der Wein und Weinanbau eine eigene Wissenschaft, die Önologie, für sich beanspruchen können.


Außergewöhnliche Weine von Pompeji bis Pantelleria

Es ist toll zu verfolgen, wie viele Geschichten sich um den Wein und seine 2000-jährige Geschichte ranken. Und was für Geschichten! Ein Einblick in den „Atlas der außergewöhnlichen Weine“ und einige Beispiele:


  • Weine aus Pompeji mit 2000-jähriger Tradition

    Die alten Römer wussten bereits, wie sie durch dichte Bepflanzung das Unkraut zwischen den Weinstöcken eindämmen konnten! Zweitausend Jahre nach dem verheerenden Vulkanausbruch wachsen in Pompeji wieder Reben. Auf diesem Urgrund begrub das Feuer des speienden Vesuv 79 n. C. die antike Stadt nahe Neapel komplett.


    Auch der Weinberg, der den kaiserlichen Hof in Rom mit köstlichem Wein versorgte, lag jahrhundertelang unter einer Aschedecke. Längst erfolgt die Weinbereitung nach modernen Verfahren. Über die historische Dimension des Weinbaus in Kampagnien – wovon auch heute noch einiges zum besseren Verständnis beiträgt – aufzuklären, hat man sich hier auf die Fahnen geschrieben.


  • Die Weinriesen von Kampagnien

    Ein Stück weiter Richtung Norden geht es zu den Weinriesen nach Kampagnien. Wie es sich für einen Atlas gehört, veranschaulichen Landkarten, wo ungefähr die Weinschätze aufzufinden sind. Zwischen Rom und Neapel rund um Aversa wachsen Rebstöcke – auf Pappeln. 15 Meter hoch und ganz ihrem antiken Vorbild getreu. So sparten die alten Römer die Stützen und schützten die Weintrauben vor Bodenfeuchtigkeit und Tierfraß. Vor zum Teil tödlichen Unfällen bei der Lese konnten sie ihre Arbeiter nicht schützen.


    Und wer erntet sie heute? „Mein jüngster Erntehelfer ist 60 Jahre alt“, seufzt ein Winzer. Das System der Weinlese ist bis ins Detail ausgeklügelt – das Klettern auf die eigens angefertigten Leitern, die  „Scale Napoletane“, inklusive. Und auf dem hiesigen Weingut Borboni versteht man sich sogar darauf, aus der an sich sauren Aversa-Traube das Gegenteil herauszuholen – und aus der Rebsorte einen Likörwein zu machen. Chapeau!


  • Ein Weinberg mitten in Paris

    Ganz andere Verhältnisse herrschen auf dem Montmartre. Ja, mitten in Paris! Hier gedeihen an rund 1.800 Rebstöcken vorwiegend rote Trauben. Der aus ihnen gekelterte Cuvée erfreut sich größter Beliebtheit. Ihn können Weinfreunde ganzjährig im Musee de Montmartre ergattern. Überhaupt das Marketing: In jedem Jahr, meist im Oktober, macht ein Fest zur Weinlese, die „Fête des vendanges“, auf den „Clos Montmartre“ aufmerksam. Jährlich steht eine Künstlerin oder ein Künstler gern Pate für den guten Tropfen – wie einst schon der Schauspieler und Sänger Fernandel (1903-1971).


    Es waren auch Künstler, die 1933 den Pariser Weinanbau vor dem Vergessen retteten – der in seiner Entstehungsgeschichte bis auf das 2. und 3. Jahrhundert zurückgeht. Sie erkämpften, dass wieder ein kleiner Weinberg angepflanzt wurde.


  • 65 Prozent Steillage „Heroische Weinberge an der Mosel

    Am Moselufer kann es steil bergauf gehen. Für die Vorfahren allerdings kein Grund, keine Weinberge anzulegen. Bis zu 65 Prozent Steigung bedeuten harte Handarbeit. Jeder Schritt auf dem Weinberg sollte also wohl bedacht sein. Alles dauert bis zu zehnmal länger als in der Ebene: Da kommen 1.200 bis 2.000 Arbeitsstunden pro Hektar zusammen.


    Kein Wunder, dass sich die Zahl der Weinberge rund um die idyllischen Moselschleifen in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Immerhin: Praktische einschienige Zahnradbahnen übernehmen den Job, die Erntekisten nach der Weinlese abzutransportieren.

Vereinfachte Landkarte zur Kenntlichmachung der Insel Pantelleria
Pantelleria, eine kleine Insel zwischen Sizilien und Tunesien © Jonglez Verlag

  • Erlesene Weine trotz abweisender Natur auf Pantelleria

    Zum Schluss etwas ganz Besonderes. Es geht nach Pantelleria, einer 8.300 Hektar großen italienischen Mittelmeerinsel. Näher an Tunesien (72 km) als an Stizilien (100 km) gelegen haben die Insulaner hier über Jahrhunderte gelernt, unter erschwerten klimatischen Bedingungen auf von Vulkangestein durchbrochenem Boden in einer so gut wie unkultivierbaren Landschaft Mauern und Terrassen anzulegen. Auf denen Rebstöcke gedeihen, obwohl so gut wie kein Regen fällt, eine Bewässerung geradezu unmöglich ist (weil es auch kein nennenswertes Süßwasservorkommen gibt) und – als wärs nicht genug – auch noch der heiße Scirocco über alles hinwegfegt.


    Das hat sogar die UNESCO beeindruckt und den beharrlichen Weinbauern 2014 für ihre Leistung den Status des immatriellen Kulturerbes der Menschheit eingebracht (mehr über das materielle wie immatrielle Kulturerbe erfährst Du in meinem Beitrag „Das Erbe der Welt – eine globale Lesereise zu Kultur und Natur“). Inzwischen ist Pantelleria mit seinen Weinen berühmt und zu einem mondänen Urlaubsort geworden. Gern schauen Sting und Madonna mal vorbei.

Einzelne Weinstöcke auf Lanzarote, jeweils mit Schutzmauern umgeben
Kaum zu glauben: auch auf Lanzarote wachsen zwischen Mauern Weinstöcke © Pierrick Bourgault

Was Pferde mit Weinen zu tun haben

Diese Frage führt zu einer alten Tradition, die Winzer in den letzten Jahren wiederbeleben, ausschließlich in der biologischen Landwirtschaft. Ein Auszug aus dem „Atlas der außergewöhnlichen Weine“ zitiert einen Winzer, Pionier im biodynamischen Weinbau:

Einig sind sich alle Winzer, die mit Pferden arbeiten, dass die Abwesenheit lauter Motoren im Weinberg ein wahrer Segen ist und die Arbeitspferde das Wohlbefinden fördern: „Es ist ein kleines Paradies.“ (so Nicolas Joly von der Loire). Mit Tieren in der Natur zu arbeiten schafft eine Atmosphäre der Harmonie.

Reiseführerreihen im Jonglez Verlag: „Soul of" und „Verborgenes"

Der „Atlas der außergewöhnlichen Weine“ ist wieder ein sehr engagiertes Buchprojekt des jungen, 2005 in Berlin gegründeten Jonglez Verlags. In den beeindruckend recherchierten Publikationen zeigt sich, wie sehr Orte zu faszinieren vermögen. Und die ihnen gewidmeten Bücher können mithalten! Das sind Liebhaberprojekte, die große Freude bereiten.


Ihr Herzstück sind zwei sehr empfehlenswerte Reiseführer-Reihen:

  • die „Soul of"-Reihe (mit 17 Titeln, z. B. von Amsterdam, Berlin oder Kyoto und Rom) und ....


  • die „Verborgenes"-Reiseführer-Reihe mit inzwischen 36 Titeln, über die selbst Einheimische noch neue Seiten an ihrer Stadt entdecken können. Wie ich in Berlin. Unbedingt nachschauen, ob das Ziel Deines nächsten Städtetrips dabei ist!


Cover vom Fotoband Lost Places Deutschland

Ins Repertoire außergewöhnlicher Orte gehören auch verlassene Orte. Wie sie im Bildband „Lost Places Deutschland“ von dem Fotografen Aurélien Villette vorgestellt werden, auf azurgold ebenfalls ausführlich besprochen.



Cover vom Atlas der außergewöhnlichen Weine

Buchempfehlung


Über den Autor

Mehr über Perrick Bourgault erfährst Du auf Wikipedia.


Gut zu wissen

Du suchst nach einem Reiseanlass für Paris? Wie wäre es mit dem Weinlese-Fest, der „Fête des vendanges“, auf dem Montmartre?




2 Kommentare


Theresa Beitl
28. Okt.

Was für ein kurzweiliger und zugleich höchst informativer Artikel zu m.E. gleich mehreren Themen. Es geht nicht nur um den Weinanbau, auch um die Mentalität jener Menschen, die schon immer etwas kulturell Besonderes für sich und andere in diese Welt gebracht haben: die Handwerker, Künstler und Idealisten. Vielen Dank für diesen Lesegenuss mit Mehrwert!!

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Felicitas
28. Okt.
Antwort an

Vielen Dank für dieses tolle Feedback! Die Vielseitigkeit dieses Buchs ist wirklich sehr beeindruckend.

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