Georgina Hayden führt mit „Greekish“ vor, wie viel Genuss in der zeitgenössischen griechischen Küche steckt. Auf der Basis traditioneller Kochkultur stellt sie 100 griechisch inspirierte Rezepte vor – kreativ und garantiert mühelos zu kochen. Weiteres Plus: mit Fleisch oder Fisch, vegetarisch, vegan, glutenfrei, laktosefrei: alles dabei!
Kulinarische und sprachliche Verführung
Kochen mit allen Sinnen! Das verbinde ich mit einer Foodautorin. Noch dazu einer mit griechisch-zypriotischen Wurzeln. Georgina Hayden erfüllt meine Erwartungen vollends. In ihrem neuesten Werk „Greekish“ rückt die Autorin ihrer Heimatküche zu Leibe. Hayden, die lange Jahre für Jamie Oliver Rezepte entwickelte, paart ihre Erfahrung mit großer Leidenschaft – und das zu meiner Freude bis in ihre Sprache hinein.
Die in London ansässige Foodautorin hat 100 überwiegend traditionelle griechische Rezepte kreativ in ihre eigene lukullische „Spielart“ überführt. Kichererben-Keftedes etwa, „ein zutiefst köstlicher, unwiderstehlicher Snack“, Hähnchen mit Halloumikruste oder „One-Pan-Pastitsio“. Letzteres hat laut Schöpferin „dramatisches Potenzial“ und sieht in einer Bratpfanne „episch aus“. Psarosoupa, die „goldene Fischsuppe“ steht nicht nach, ist „mysteriös und irgendwie geheimnisvoll“.
Und Kohl! Auf Georgina Haydens Herd wird er, im Ganzen geröstet, zum „Helden“. Und erhält eine Aufmerksamkeit, die ihm selten zuteil wird. Zum Dessert bringen Baklava-Schnecken, Eiscreme mit Metaxa-Rosinen oder in Wein pochierte Nektarinen mit Anis griechische Atmosphäre auf den Tisch.
Georgina Hayden kocht familienfreundlich griechisch
„Greekish“ kochen heißt hier: „familienfreundlich“ kochen. Mit Rezepten, die einfach sind – trotzdem raffiniert – und sich festlich anfühlen. So etwa die grüne Version der Gigantes, nicht wegzudenken aus der griechischen Küche. Von den Riesenbohnen bereitet Georgina gleich die doppelte Portion für die ganze Woche zu. Ebenfalls unter die Festessen gehört der Schweineschulter-Braten. Das Geheimnis für sein Gedeihen in vierstündiger Schmorzeit ist: „Nichtbeachtung“, die „reich belohnt“ wird.
Immer wieder lässt uns Georgina Hayden mit „Greekish“ daran teilhaben, wie eng ihre Koch- und Esslust mit ihrer Lebensfreude verwoben ist:
„Sie finden das, was ich zum Vergnügen koche. Unaufwendige Gerichte mit großer Wirkung, die mir gestatten, mich darauf zu konzentrieren, lebhafte Gastgeberin zu sein, die mit Lieblingsmenschen gutes Essen und schöne Momente teilt (wie Sie vielleicht richtig vermuten mein oberstes Lebensziel).“
Großes Plus: Kennzeichnung aller Rezepte nach Ernährungsformen
Keine Frage: Dieses Kochbuch macht gute Laune. Dabei ist es gut strukturiert. Die Gliederung folgt den Kapiteln: Ein guter Start, Kleines und Snacks, Alltagshelden, Dinge am Spieß, Festmahl, Salate, Beilagen und Gemüse, Süßes, Menüs und Bezugsquellen.
Sehr gut gefällt mir die konsequente Kennzeichnung aller Rezepte mit Kürzeln für die verschiedenen Ernährungsformen: V steht für vegetarisch, V+ für vegan, GF für glutenfrei, LF für laktosefrei. Bei einer Abkürzung in Klammern können bestimmte Zutaten durch Alternativen ausgetauscht werden und zum Beispiel eine vegetarische Mahlzeit ermöglichen. Sehr praktikabel ist auch das Kapitel mit Vorschlägen für Menüs zu verschiedenen Anlässen, die sich individuell zusammenstellen lassen.
Von Athen bis Thessaloniki: Georgina Hayden bereist für „Greekish“ das ganze Land
Georgina Hayden, die Jamie Oliver seine „greekish sister“ nennt, holt die griechische und zypriotische Küche ins Rampenlicht. Mit diesem kulinarischen Werk unterstreicht sie, dass die Zeiten, als griechisches Essen als wenig fein galt, vorbei sind. Sie ist auf Spurensuche gegangen und sich mit ihren Töchtern Persephone und Elektra auf Reisen gemacht, um, selbst auf Zypern aufgewachsen, ein tieferes Verständnis für die Vielfalt des griechischen Festlands und der griechischen Inseln zu bekommen.
Mit „genüsslicher Gier und neugierigem Geist“ saugt sie auf, was die von Nord nach Süd stark varierende Küche aufbietet. Da wirken die großen Städte, die seit einigen Jahren kulinarisch hoch im Kurs stehen, stark mit ein: das „trendy und geschichtsträchtige Athen“ und das „hippe Thessaloniki“, die Gastrohauptstadt (nicht nur) Nordgriechenlands.
Youvetsi vereint griechische und zypriotische Küche
Über Speisen, die – wie ihr Lieblings-Rinderragout „Youvetsi“ – nach „Heimat, purer Nostalgie und Wohlbefinden“ schmecken, kommt Georgina Hayden sich nah. Bei „Youvetsi“ schwingt ihre doppelte Herkunft mit: Wenn sie Griechen und Zyprioten mit einem Essen zusammenfassen sollte, wäre es so eines. Über ihre Wurzeln als griechische Zypriotin und ihre Familienbande öffnet sie sich: mit Rezepten, die „ganz ich selbst“ sind und „zu den besten“ gehören, „die ich je geschrieben habe“.
Das kochhandwerkliche Rückgrat Haydens ist die Yiayia, ihre Großmutter, von der man nie weiß, hinter welcher Ecke sie hervorlugt, stets einen Kommentar auf den Lippen. Auch wenn Georgina Hayden hier ein Kochbuch ohne „die belastende Pflicht“, ihre Kultur zu vertreten, schreiben wollte. Ganz ohne Yiayia geht es nicht. Und: „Sie weiß es immer besser.“
Pasteten und Proteinquellen: Favoriten der griechischen Küche
Bei aller kreativen Abwandlung der Rezepte bleibt es Georgina Hayden mit „Greekish“ ein tiefes Anliegen, die traditionelle griechische Küche und die liebsten Gewohnheiten ihrer Landsleute zwischen Athen und Thessaloniki vorzustellen.
Rezept: Lamm-Halloumi-Kofta
Wir erfahren: Die Griechin frühstückt gern deftig und ausgiebig, etwa Hackbällchen in scharfer Tomatensauce mit Ei. Für die, die es süß mögen, serviert Georgina „Hollys French Toast auf Baklava-Art“. Und: Griechen lieben eine gute pita (Pastete). Hayden verrät ihr Lieblingsrezept für Fleischpastete.
Nicht fehlen darf auch Blätterteig, etwa bei Spanakopita, z. B. mit Spinat und Käse gefüllt. Die Foodautorin bekennt sich als „besessen“, weil sie ständig darüber nachdenke, was sie noch „spanakopitaisieren“ könne. Die Auberginen-Granatapfel-Tarte auf Blätterteigboden, ein „fantastischer Mittelpunkt der Tafel“ muss ich unbedingt ausprobieren.
Rezept: Auberginen-Granatapfel-Tarte
Wir lernen die griechische Art kennen, Saucen anzudicken, mit Ei und Zitrone. Nicht zuletzt: Käse! Hayden gesteht, dass ihr „obzöne Mengen Käse zusagen":
„Mein Kühlschrank enthält mehr Halloumi als andere Lebensmittel. Meine Geschmacksknospen und mein Magen wissen eindeutig, dass er meiner Herkunft, meinem Blut, meinen Wurzeln entspricht.“
Es gibt so viel mehr als Feta. Etwa „graviera“ (ähnlich Gruyère), „kefalotyri“ (der griechische Parmesan, hart, salzig und ideal zum Reiben), „kefalograviera“ (eine Mischung aus beidem) und „mizithra“ oder „anari“ (beide ähnlich Ricotta). An Proteinquellen mangelt es der griechischen Cuisine keinesfalls. An dieser Stelle sei unbedingt ergänzt, dass Georgina Hayden ein eindrucksvolles Kochbuch mit Rezepten aus der griechisch-zypriotischen Fastentradition geschrieben hat. „Nistisima“ ( 2023 mit dem Deutschen Kochbuchpreis ausgezeichnet und auf azurgold ausführlich besprochen) kommt – wie eine Art Gegenprogramm zu „Greekish“ – ganz ohne Milchprodukte und Fleisch aus. Es macht Sinn, beide Bücher zu haben, weil sie sich perfekt ergänzen.
Last but not least: Eine griechische Vorliebe darf nicht fehlen, passt sie doch immer und überall: Frappé. „Als gutes griechisches Mädchen habe ich immer ein Herz für Nescafé.“ Griechisch – Mädchen – Herz: Da haben wir gleich die drei Grundfeiler, die dieses lebensbejahende Buch ausmachen. Georgina Haydens Mädchen, ihre Töchter, sind „ihr Ansporn, alles köstlicher und vergnüglicher zu machen, in der Küche und im Leben“.
Mein Fazit
„Greekish“ ist, nach den Titeln „Feel Good Kitchen“, „Taverna“ und „Nistisima“, Haydens persönlichstes Kochbuch. Leidenschaftlich vermittelt sie: Essen ist ein Fest. Und Kochen eine Herzensangelegenheit. Wer sich tiefer auf die griechische Küche einlassen, alte Vorurteile aus dem Weg räumen oder sich auf eine Griechenlandreise einstimmen möchte, kann einer Vollblutköchin dabei zuschauen, was ihr kulinarisches Zuhause alles aufzubieten hat – und sich von ihrer überschwänglichen Freude anstecken lassen.
Rezepttexte © DK Verlag/ Georgina Hayden
Buchempfehlung
Georgina Hayden: Greekish. 100 griechisch inspirierte Rezepte. 240 Seiten, DK Verlag (Hrsg.), 2024
Website der Autorin: Georgina Hayden
Das Kochbuch ist so lebendig beschrieben, dass man gleich alles ausprobieren möchte.
Schön, dass man schon einige Rezepte zu lesen bekam.
Ein Kochbuch besonderer Art.